7. Hansgrohe Wassersymposium: ?Hochbrisanter Cocktail?

Der ehemalige Greenpeace-Chef und Umweltaktivist Gerd Leipold über Wasserkrisen als Chance

?Besonders beim Trinkwasser, dem elementarsten aller Lebensgrundlagen?, sagt Dr. Gerd Leipold, ?überschreiten wir mehr und mehr die natürlichen planetarischen Grenzen.? Der gebürtige Oberschwabe und international gefragte Redner ist einer von neun Referenten beim 7. Hansgrohe Wassersymposium am 13. November 2014 in Schiltach. Leipold appelliert an unser aller Verantwortungsgefühl und Innovationskraft. Zu seinem Thema ?Wasserkrisen als Chance? spricht er vorab mit der Hansgrohe Online-Redaktion.

Herr Dr. Leipold, lassen Sie uns gleich über Krisen sprechen. Wie schätzen Sie die gegenwärtige Situation ein, besonders in Bezug aufs Trinkwasser?
Gerd Leipold: Eine Reihe von globalen Trends wirken unglücklicherweise zusammen und gestalten die Trinkwassersituation zunehmend schwieriger: immer mehr Menschen, die mehr verbrauchen, vor allem Fleisch. Vergiftung der Wasservorkommen durch chemische Gifte, Verlust an regulierenden Ökosystemen, Versteppung und Versalzung und dazu noch der Klimawandel ergeben einen hochbrisanten Cocktail an Problemen.

Gerade hat die größte Klimademonstration aller Zeiten stattgefunden. Noch nie sind weltweit so viele Menschen für erneuerbare Energien auf die Straße gegangen wie im September 2014. Denken Sie, dass dieses Engagement der Bürger bei den politischen Entscheidern endlich fruchtet?
G.L.: Es ist eher unwahrscheinlich, dass auf dem großen Klimagipfel in Paris 2015 der ganz große Wurf gelingt. Zu unterschiedlich sind die Interessen, zu gering ist die Bereitschaft, die Interessen der künftigen Generationen voranzustellen. Trotzdem: Ich hoffe sehr, dass die Regierungen auf diesen weltweiten Weckruf reagieren. Es ist wichtig, dass dieser millionenfache Protest weitergeht und der Druck auf die Regierungen wächst. Mit dem Protest drücken wir ja auch aus, dass wir selber bereit sind, klimafreundlicher zu leben.

Sie sagen, dass die schwierige Aufgabe die Möglichkeiten von Einzelnen, Unternehmen oder Staaten übersteige und appellieren an gemeinsames Handeln als die große Chance. Wie kann das aussehen?
G.L.: Die Ethikkommission, die die Bundeskanzlerin nach Fukushima eingesetzt hat, prägte das schöne Wort von der Gemeinschaftsaufgabe. Für die Energiewende brauchen wir klare Rahmensetzungen durch die Politik. Forschung und Entwicklung müssen vorangetrieben werden, die Industrie muss Energielösungen neu und weiter entwickeln, und wir alle müssen weniger Energie besser verwenden. Vor allem aber betont der Ethikrat, dass dies ein Generationenprojekt ist, das ständig gemeinsam weiterentwickelt werden muss. Bei dem man Fehler begehen kann, lernen, verbessern und anpassen muss, am Ende aber die Gesellschaft als Ganze den Nutzen davon hat.

Sie beraten Unternehmen und erarbeiten mit ihnen Nachhaltigkeitsstrategien. Trauen sich Ihre Kunden, innovativ zu sein?
G.L.: Wenn ein Unternehmen im Nachhaltigkeitsbereich innovativ ist, liegt das fast immer an einem von drei Faktoren: eine Unternehmensleitung, für die Nachhaltigkeit eine Herzensangelegenheit ist, starke öffentliche Kritik oder Chancen auf dem Markt. Ich glaube, dass die sich verändernden Lebensstile viele Möglichkeiten für Unternehmen bieten und dass das weltweit stark wachsende Umweltbewusstsein große Chancen im Export bietet.

Als Chef von Greenpeace waren Sie in der ganzen Welt zuhause. Jetzt leben Sie wieder in Ihrem oberschwäbisches Heimatdorf. Was ist Ihre Beobachtung: Gehen die Menschen auf dem Land sparsamer mit Ressourcen um als die Städter? Und im Vergleich zum Rest der Welt: Gibt’s da typisch deutsches oder gar schwäbisches Verhalten?
G.L.: Ich glaube schon, dass die ältere Generation der Oberschwaben sparsamer mit Ressourcen umgeht. Bei den Jüngeren sehe ich kaum Unterschiede zu den Städtern. Wir haben in Deutschland ein sehr hohes Umweltbewusstsein, doch zwischen unserem Wissen und unseren Taten klaffen halt doch oft große Lücken. Es gibt Menschen, die bewusst und verantwortungsvoll leben und solche, die sich um nichts kümmern. Ich glaube, die Unterschiede innerhalb eines Landes sind oft viel gravierender als die zwischen den Ländern. Die indische Mittelschicht ähnelt in ihren Verbrauchsgewohnheiten der deutschen Mittelschicht. Die armen Menschen in Indien dagegen gehen aus Not ganz sparsam mit kostbaren Ressourcen wie Wasser um.

Dr. Gerd Leipold studierte Physik und Ozeanographie. Er promovierte am Max-Planck-Institut für Meteorologie in Hamburg. In den 1980ern baute er das deutsche Büro von Greenpeace mit auf; als Executive Director leitete er die globale Umweltorganisation von 2001 bis 2009. Er war an spektakulären Greenpeace-Aktionen beteiligt, führte Klimaschutz- und Abrüstungskampagnen. 1992 gründete er eine Beratungsfirma, spezialisiert auf Strategie und Kommunikation. Zudem forscht und publiziert er und ist im Vorstand des Global Climate Forums sowie im Beirat der Welthungerhilfe tätig.

Wassersymposium 2014: ?Wassertechnik der Zukunft?

Sie möchten Dr. Gerd Leipold und weitere interessante Referenten live erleben? Dann kommen Sie in die Hansgrohe Aquademie. Anmeldung bitte unter [email protected]. Die Veranstaltung ist kostenfrei, die Teilnehmerzahl ist aber begrenzt.

Erfahren Sie mehr über die Hansgrohe Wassersymposien 2008 bis 2014.

Dr. Gerd Leipold

Gerd Leipold berät Unternehmen und NGOs in Nachhaltigkeitsfragen. ©Mathias Bothor/photoselection

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